Steinhagen (fja).
Johannes-Otto Lübke hatte in den vergangenen Tagen allerhand zu tun. Beim Revierförster für den Forstbezirk Halle, Werther und Steinhagen stand das Telefon kaum still. Denn die Folgen von Sturm »Niklas« sind noch längst nicht abgearbeitet. Für den lang angekündigten Gastvortrag im Kontakt-Café in der Begegnungsstätte am Dietrich-Bonhoeffer-Haus nahm sich Lübke dennoch Zeit. Titel seines Vortrags: »Ich glaub’, ich steh im Wald«."Die meisten Waldbesitzer haben keine Fachkunde und bewirtschaften ihren Wald nicht selber", erklärte der Revierförster. Wenn es um Fragen rund um den Wald geht, ist er der erste Ansprechpartner. Auch wenn ein Sturm im Forst gewütet hat und nun etliche Schäden beseitigt werden müssen. Etwa 300 Waldbesitzer gibt es in Lübkes Bezirk. Für knapp 3000 Hektar Wald ist er zuständig, seitdem er 2008 die Nachfolge von Alois Tenkhoff angetreten hat.
In seinem Job steht Johannes-Otto Lübke immer mal wieder zwischen den unterschiedlichen Interessen, die die Menschen am Wald haben. "Der Wald heute soll multifunktional sein. Er soll den nachwachsenden Rohstoff Holz bereitstellen. Er soll der Erholung dienen. Und er soll dem Klimawandel standhalten und hat eine zentrale Bedeutung für die Artenvielfalt", skizzierte der Revierförster seinen weit gesteckten Aufgabenbereich. "Als Förster muss man also ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungen im Blick behalten."
Da kollidieren schon mal die Interessengruppen. Aktuelle Beispiele gibt es zuhauf. "Durch den Bau der A 33 sind in Steinhagen etwa 15 Hektar Wald weggekommen", berichtete der Experte, "aber es wurden auch 15 Hektar wieder aufgeforstet." Während diese Maßnahmen streng geregelt sind, stehen Waldbesitzer und Förster mit Mountainbikern oft genug noch auf Kriegsfuß. "Grundsätzlich darf jeder den Wald auch außerhalb der Wege auf eigene Gefahr betreten, und in der Regel hat auch niemand etwas dagegen, wenn Kinder mal eine Bude im Wald bauen. Die Mountainbiker sind allerdings ein echtes Problem. Sie legen eigene Wege an und bauen Sprungschanzen", so Lübke. Aber man stehe in Kontakt mit den Jugendlichen und sei auf der Suche nach Lösungen.
Aus ökonomischer Sicht dient der Wald in erster Linie der Holzproduktion. Das war schon immer so. "Vom Mittelalter bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Wälder total übernutzt. Im Hochmittelalter lag der Holzverbrauch sogar bis zu achtmal höher als heute", wusste Johannes-Otto Lübke seinen Zuhörern zu berichten.
Anfang des 20. Jahrhunderts begann man damit, riesige Flächen wieder aufzuforsten. "Viele mehr als 80 Jahre alte Kiefern- und Fichtenwälder sind Beleg dafür", so der Revierförster. Kiefern und Fichten waren deshalb gefragt, weil sie schnell und gerade wachsen und als unempfindlich gelten. Ohne den Eingriff des Menschen bestünde der deutsche Wald allerdings zu 80 Prozent aus Buchenwald, erfuhren die Interessierten im Kontakt-Café.
Allgemein lässt sich festhalten, dass etwa 50 Prozent des deutschen Waldes aus Nadelhölzern bestehen und die andere Hälfte aus Laubwald. Mit 28,1 Prozent kommt die Buche besonders häufig vor, gefolgt von der Kiefer mit 24,1 Prozent, der Fichte mit 18,5 Prozent und der Eiche mit 11,8 Prozent.
Der Aufwand für die Produktion und die Bereitstellung von Holz ist vergleichsweise gering. Weniger als fünf Prozent der im Holz gespeicherten Energie müssten aufgewendet werden. "Das ist eine wirklich gute Ökobilanz", urteilt Lübke. Natürlich trage der Wald auch zu einem guten Klima bei. Durch Baumwachstum in Deutschland werde die Atmosphäre um 52 Millionen Tonnen CO2 jährlich entlastet. "Den Klimawandel kann der Wald aber nicht aufhalten. Dazu wachsen die Bäume nicht schnell genug", erklärte Lübke den Zuhörern.
Für viele Tierarten ist der Wald vor allem eins: das Zuhause. "Darum werden auch mal Stümpfe stehen gelassen, damit dort Spechte oder Waldkäuze brüten können." Manchmal sind es aber auch die Tiere, die dem Wald zu schaffen machen. Etwa die Rehböcke, die von April an ihre Geweihe an Bäumen und Sträuchern reiben und sie dabei zerstören. Oder die Schermäuse, die die Wurzeln der jungen Anpflanzungen wegknabbern.