Herr Besser, inwieweit wird sich Steinhagens Ortskern verändert haben, wenn wir in einem Jahr wieder in ihrem Büro zusammenkommen?
KLAUS BESSER: Der Ortskern wird dann noch genau so aussehen wie jetzt. Die Ortskernsanierung, die Sie ansprechen, ist ein sehr komplexes Thema. Wir sprechen hier immerhin über ein Maßnahmenpaket mit mehr als 30 verschiedenen Einzelprojekten. Zurzeit klären wir ab, ob die Kanal- und Versorgungsleitungen rund um die Dorfkirche saniert werden müssen, bevor wir eine Entscheidung über ein neues Pflaster oder neue Straßenlaternen treffen. Im nächsten Jahr wird noch Zeit sein, um in Ruhe abzuwägen, welche Materialien gewählt werden. Es handelt sich schließlich um eine sehr wichtige Entscheidung für
Steinhagen.
Die Ortskernerneuerung wird das Erscheinungsbild unserer Gemeinde für die nächsten 30 bis 40 Jahre bestimmen. Bis 2019 haben wir Zeit, die Fördermittel abzurufen und die Umsetzung der getroffenen Entscheidungen wird voraussichtlich über das Jahr 2020 hinausgehen. Beginnen werden wir aber mit der Erneuerung des Gebiets rund um den Dorfteich. Im März werden die Pläne vorgestellt, damit dort im Sommer die Baumaßnahmen beginnen können.
Muss das Kopfsteinpflaster am Kirchplatz wirklich erneuert werden?
BESSER: Das Natursteinpflaster, also den Blaubasalt, wollen wir ja auf jeden Fall erhalten. Wir müssen die Steine allerdings hochnehmen, um an die Kanalisation und an die Versorgungsleitungen zu kommen. Wir gehen davon aus, dass hier Sanierungen vorgenommen werden müssen. Einige Leitungen sind immerhin mehr als 40 Jahre alt. Die blauen Basaltsteine würden aber anschließend für eine neue Pflasterung wieder verwendet. Wir werfen die nicht weg. Anders sieht es mit den übrigen Pflasterungen aus. Da wollen wir uns im nächsten Jahr noch weitere Inspirationen holen, zum Beispiel in anderen Städten.
Ein neues Pflaster bedeutet aber noch keine neuen Geschäfte. Bei der Ortskernerneuerung geht es doch auch um die Belebung des historischen Ortskerns.
BESSER: Nein, ein neues Pflaster bringt keine neuen Geschäfte, das ist sicherlich richtig. Wir müssen die Aufenthaltsqualität erhöhen - durch eine Mischung aus Einzelhandel, Dienstleistungen, Gastronomie und Wohnen. Genau diesen Mix haben wir bereits jetzt. Und wenn wir diesen Bestand erhalten können, ist das schon gut. Ich gebe zu bedenken, dass wir im Einzelhandel einen deutlichen Wandel erleben, hin zu Großmärkten, Discountern und zum Internethandel. Den klassischen inhabergeführten Einzelhandel wird man schwerlich gewinnen können, um sich in Steinhagen anzusiedeln. Das muss man einfach realisieren und akzeptieren.
Am 25. Mai kommenden Jahres steht die Bürgermeisterwahl an. Würden Sie sich freuen, wenn Sie doch noch einen Gegenkandidaten bekommen?
BESSER (schmunzelt): Nun ja, ich bin durch und durch Demokrat und zu einer Demokratie gehört es auch, dass der Wähler eine Auswahl treffen kann. So gesehen, würde ich mich schon freuen, wenn es noch eine Gegenkandidatin oder einen Gegenkandidaten geben würde, damit der Wähler nicht nur die Frage gestellt bekommt: Bin ich für oder gegen den jetzigen Bürgermeister?
Dass die CDU keinen eigenen Kandidaten aufstellt, mit der Begründung, der amtierende Bürgermeister sei so beliebt in der Bevölkerung, dürfte Ihnen schmeicheln.
BESSER: Ja.
Mit welchen Themen möchten Sie bei den Wählern punkten?
BESSER: Egal, ob es einen Gegenkandidaten gibt, oder nicht: Ich muss dafür werben, dass mir mehr als 50 Prozent der Wähler ihre Stimme geben. Meine Themen werden Umwelt- und Klimaschutz sein. Der demografische Wandel und vor allem der Bildungsbereich. Ein guter Bildungsstandort ist wichtig, um den Wohnwert der Gemeinde zu erhalten. Da müssen wir in der nächsten Wahlperiode unbedingt am Ball bleiben ...
... weil in der Nachbarkommune Halle eine neue Gesamtschule in Planung ist.
BESSER: Ganz genau. Und das hätte negative Folgen für den Schulstandort Steinhagen.
Dass in Halle plötzlich drei Oberstufen existieren und den Oberstufen der Nachbarkommunen das Wasser abgraben, kann nicht richtig sein. Das ist vom Gesetzgeber beim Schulkompromiss 2011 so auch nicht gewollt gewesen. Ziel sollte ein wohnortnahes Bildungsangebot sein.
Sie rechnen damit, dass Schüler scharenweise nach Halle abwandern, um dort die Gesamtschule zu besuchen?
BESSER: Selbst die Stadt Halle geht davon aus, dass sich Steinhagener Eltern für die Haller Gesamtschule entscheiden würden. Auch die Bezirksregierung geht in ihrem Genehmigungsbescheid davon aus, dass man in Kauf nehmen muss, dass die Steinhagener Realschule und das Gymnasium auf Dauer jeweils nur noch zweizügig sein werden. Das kann ich mir offen gestanden nicht vorstellen. Wir werden auf keinen Fall sehend in Kauf nehmen, dass an unseren weiterführenden Schulen nur noch je zwei Parallelklassen gebildet werden. In unserem Schulzentrum haben wir Platz für fünf Parallelklassen und im Gymnasium für vier. Wir können also neun Klassen beschulen. Wenn Realschule und Gymnasium zusammen aber nur noch vier Eingangsklassen bilden - und davon geht die Bezirksregierung aus -, dann können wir unser Schulzentrum dichtmachen.
Da wird der neue Gemeinderat reagieren müssen. Wir hätten ja auch eine Gesamtschule für Steinhagen beantragen können, was wir ganz bewusst nicht gemacht haben, weil wir dann eine zweite Oberstufe hätten, die in Konkurrenz zu unserem Gymnasium getreten wäre.
Wie kann Steinhagen reagieren? Wollen Sie einen neuen Anlauf unternehmen, eine Sekundarschule zu installieren?
BESSER:
In unserem zweigliedrigen Schulsystem, das wir mit dem Auslaufen der Hauptschule bereits haben, dreht sich alles um die Frage: Was setzen wir dem Gymnasium zur Seite? Eine Sekundarschule, eine Gesamtschule - oder halte ich an der Realschule fest? Entscheidend ist, wie sich die Eltern künftig verhalten werden, wo sie ihr Kind hinschicken. Erfolg würde eine Sekundarschule nur haben, wenn sie im Einklang mit den Eltern und dem Rat errichtet würde. Eine Sekundarschule wäre keine Konkurrenz für unser Gymnasium, weil sie keine eigene Oberstufe hat.
Im Nachhinein: Warum ist die Sekundarschule in Steinhagen gescheitert?
BESSER: Eine Veränderung in der Schullandschaft ist einfacher, wenn sie aus einem Guss kommt. Als aber die CDU irgendwann umschwenkte in ihrer Meinung und Widerstände in der Lehrerschaft der Realschule laut wurden, hat das auch viele Eltern verunsichert.
Warum gelingt den Altkreiskommunen keine einvernehmliche Schulpolitik, zumal alle Rathäuser SPD-regiert sind?
BESSER: Frau Rodenbrock-Wesselmann, die Bürgermeisterin aus Halle, vertritt da eben eine andere Auffassung als die anderen Nordkreis-Bürgermeister. Da überwiegt dann doch das Kirchturmdenken.
Können Sie noch Fragen zur A 33 hören?
BESSER: Ich muss sie hören. Diese Autobahn begleitet mich mein ganzes Leben und wird mich auch weiterhin begleiten. Und ich werde auch irgendwann die A 33 hören - es sei denn, ich bin bis dahin schwerhörig.
Dann lassen Sie uns das Dauerthema zumindest kurz anschneiden. Auf was müssen wir uns in Steinhagen bezüglich des Autobahnbaus im kommenden Jahr einrichten? Die befürchteten Verkehrseinschränkungen durch den Autobahnbau waren bislang nicht so gravierend wie befürchtet.
BESSER: Wir werden uns auf rege Bautätigkeiten einstellen müssen, wenn es den Autobahnbauern wirklich gelingt, im nächsten Jahr mit dem Trassenbau zu beginnen. Das bringt immense Erdbewegungen mit sich. Der Landesstraßenbetrieb geht davon aus, dass dazu eine Million Kubikmeter Erde bewegt werden muss. Das sind umgerechnet 100 000 Lkw-Ladungen. Das sind Dimensionen, die man sich nur schwer vorstellen kann. Was die Verkehrsbehinderungen angeht: Die Menschen haben sich offenbar schnell daran gewöhnt, dass sie den Upheider Weg und die Lange Straße nicht befahren können.
In Steinhagen wird zurzeit sehr viel gebaut - ein Indikator für eine prosperierende Wirtschaft ...
BESSER: Es geht der Gemeinde relativ gut und finanziell erheblich besser, als vielen anderen Kommunen in unserem Bundesland. Wir erwarten bei den Gewerbesteuererträgen mit mehr als 20 Millionen Euro eines der besten Ergebnisse in der Geschichte der Gemeinde. Die Betriebe sind überwiegend ertragsstark. Noch nie haben wir so viele versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gehabt wie zurzeit mit knapp 7500 Arbeitsplätzen. Das ist eine gute Ausgangssituation für 2014. Nicht nur die Autobahn wird gebaut, auch Investitionsmaßnahmen im privaten Bereich stehen an. Zum Beispiel der Weiterbau des Schulungszentrums von Hörmann in Amshausen. Im nächsten Jahr werden wir im Gewerbegebiet Brockhagen Ost zudem 3,6 Hektar neu erschließen und wir werden das Gewerbegebiet am Bahnhof ausbauen mit der Verlängerung der Liebigstraße. Erste Betriebe haben bereits Interesse an Grundstücken signalisiert.